Im Winter zeigt sich die hiesige Landschaft für mein Dafürhalten von ihrer besten Seite. Zwar nicht ihre Sonnenseite, denn die scheint in der kalten Jahreszeit in den Elbtalauen so gut wie nie.
Wenn die Bäume und Sträucher entlaubt sind, auf den Feldern und Wiesen nichts mehr wächst, offenbart sich eine Kargheit, die üppig ist. Nichts verstellt den Blick in die Weite. Wüsste man es nicht besser, scheint die Natur hier noch unberührt. Die Zivilisation fern.
Keine menschliche Begegnung entlang der Elbe. Eine Stille, die sich fremd anfühlt. Unterbrochen vom Flügelschlag und Schreien. Spitzes Wehklagen und kicherndes Frohlocken. Jetzt sind die Vögel, die hier überwintern, unter sich. Keiner da, der nach den selten gewordenen Tieren, die noch in den Elbtalauen leben, neugierig Ausschau hält.
Die Zeit steht still. Ich wähne mich in einer anderen Welt, einer längst untergegangenen. Lediglich der mich begleitende Hund erinnert daran, dass ich mich im Hier und Jetzt befinde. Sein Buddeln und Schnuppern ermahnt mich, dass die von den Winden und Gezeiten Gebeutelten eben keine skurrilen Gestalten, sondern Bäume und Sträucher sind. Zeitzeugen einer ebenso rauen wie wechselhaften Geschichte des Landstriches, in dem ich seit 20 Monaten lebe.
Uralte Eichen, die meterhoch im Wasser stehen. Silber-, Korb- und Kopfweiden in bizarren Formen mögen Furcht einflößen. Einstmals waren sie verflucht; galten als Überträger von Gicht, Fieber und Zahnschmerzen. Geschichten über Hexen und Selbstmörder ranken sich um die knorrigen Weiden.
Schauergeschichten, denen nachzugehen wäre. Wie auch dem, was über die Elbe verbreitet ist. Im Unterschied zum vielbesungenen Rhein scheint es über den Grenzfluss noch so manches zu erzählen zu geben.
Ein entrückter, verwunschener Ort. Vornehmlich im Winter: ein Sehnsuchtsort der Ruhe und Einkehr. Wenn keine Radler und Touristen an der Elbe unterwegs sind, die mit ihrem Lachen und Plappern Weißstörche, Kraniche, Graugänse, Schwäne und Reiher aufschrecken.
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Dass die Nüchternheit fasziniert, ist nicht unbemerkt geblieben. Doch betrifft dies nicht allein die Natur. „Zwei Geisteshaltungen“ werden entlang der Elbe beschrieben, rezensierte Grit Warnat in der Magdeburger Volksstimme am 14. August 2013 die gerade erschienene Fluss-Biografie „Die Elbe.. “ von Uwe Rada. An den Fluss-Ufern spiegelten sich die „barocke Sinnesfreude in Sachsen“, „auf dem Weg in den Norden“ das preußisch-nüchtern Hanseatische.