Nach dem Erfolg von „Leseland DDR“ kann in Neuhaus/Elbe derzeit abermals eine spannungsreiche Ausstellung der Bundesstiftung Aufklärung besichtigt werden: „Frauen im geteilten Deutschland“, von Clara Marz kuratiert, weckt Erinnerungen an das Leben in den 1970ern und 1980ern in beiden, damals noch existierenden, deutschen Staaten. 20 großformatige Plakate machen Unterschiede bei den Lebensumständen und -wirklichkeiten, aber auch viele Gemeinsamkeiten sichtbar, die die Frauen trotz verschiedener politischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen hatten.

Wenn die Röcke im Westen kürzer wurden, zogen die Ost-Frauen nach. Hüben wie drüben waren idealisierte Ansprüche und verzerrte Körperbilder virulent. Frauen sollten attraktiv, fröhlich, unkompliziert und sexy sein und in ihren Rollen als Mutter, Haus- und Ehefrau aufgehen. Haushalts- und Carearbeit war in beiden deutschen Staaten deren Sache. Mit dem Unterschied, dass den West-Frauen mit Elektrohaushalts-geräten allerlei Helferlein zur Verfügung standen. Die ab 1966 in der DDR produzierte WM 66 – eine sogenannte Wellen-radwaschmaschine – hatte weder einen Spül- noch einen Schleudergang. Und die moderne Maschine des Herstellers Foron, die in geringen Stückzahlen in den 1980ern auf den Markt kam, war bei einem Preis ab 2.990 Ost-Mark für die meisten DDR-Haushalte unerschwinglich.
Während sich in der BRD traditionelle Rollen lange hartnäckig hielten, hieß Gleichberechtigung für die Ost-Frau „arbeiten wie die Männer“. Ende der 1980er Jahre wies die DDR mit 92% die höchste Erwerbsquote von Frauen im internationalen Vergleich auf. Im Westen verdiente damals nur jede Zweite ihr eigenes Geld. Nominell waren die Voraussetzungen für Ost-Frauen besser. Die 1965 eingeführte „Kinderwunschpille“ wurde ab 1972 kostenlos abgegeben, Abtreibungen waren ab 1972 legal, Scheidungen unproblematisch möglich und für die Unterbringung der Kinder war Ende der 1980er flächendeckend gesorgt.

Ob in der chemischen Industrie oder als Fernmeldemechanikerin: Ost-Frauen haben sich sogenannte Männerberufe erobert. Zwar galt in der DDR „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Tatsächlich aber arbeiteten dort Frauen fast doppelt so häufig in den unteren Lohnklassen. Auch auf der politischen Ebene waren sie unterpräsentiert. Lediglich drei Frauen hatten zur DDR-Zeit Ministerposten inne: Elke Zaisser (1898 – 1987) war 1952/53 Volksbildungsministerin, Hilde Benjamin (1902 – 1989) Justizministerin zwischen 1953 und 1967, Margot Honecker (1927 – 2016) saß dem Volksbildungsministerium ab 1963 bis zum Fall der Mauer vor.
Die Wende kam für Ost-Frauen mit der Wende. An den Runden Tischen hatten sie zwar noch eine starke Stimme, dann wurden sie sukzessiv an den Rand gedrängt. Im Zuge der Abwicklung der maroden Wirtschaft wurden Frauen massenhaft entlassen. Überwunden scheinende Rollenbilder lebten wieder auf, Strukturen zerbrachen, die Unabhängigkeit und Teilhabe gesichert hatten.
Die sehenswerte Ausstellung kann bis Mitte April 2025 zu den Öffnungszeiten der Gemeindebücherei Amt Neuhaus (Mittwoch und Freitag 15.00 – 18.00h, donnerstags 10.00 – 16.00h) in Neuhaus/Elbe am Markt 5 kostenfrei besucht werden.
Ein Besuch lohnt sich unbedingt!
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