Anfangs konnte ich die Diagnose nicht fassen. Mein erster Gedanke nach dem Erwachen am Morgen: du hast Krebs. Der Vormittag war dann gelaufen. Egal, ob ich Staub wischte oder Fenster putzte, die Gedanken kreisten nur darum: du hast Krebs, du hast Angst.
Mein Versuch, mich mit Ulrike Draesners „Die Verwandelten“ abzulenken (eine Neuerscheinung, auf die ich mich gefreut hatte) misslang mir ebenso wie das Vorhaben, die Sache mit mir selbst auszumachen, mit niemanden über die Diagnose zu sprechen. Abgesehen von jenen, die über die Nachuntersuchung Bescheid wussten. Diesen kleinen Kreis informierte ich noch am Mittwochabend. Kurz und schmerzlos telefonisch; am liebsten via Whatsapp: „Hi, lass uns nicht darüber sprechen. Gewebeprobe wurde entnommen. Habe Brustkrebs.“ Dass ich nahestehende Menschen mit meiner schroffen Art brüskierte, kam mir in meiner Lage, in der meine Gedanken nur um das Eine kreisten, nicht in den Sinn.
Dass ich mich mit meiner Haltung auf keinem guten Weg befand machte mir die Begegnung mit meiner Büchereikollegin bewusst. Ina bemühte sich bei unserem ersten persönlichen Treffen verkrampft darum, sich an meine barsche Aufforderung zu halten und spulte Belanglosigkeiten über unsere gemeinsame Arbeit ab. Nichts war dabei, was ich hätte wissen müssen, oder nicht bereits wusste.
Dann trafen sich unsere Blicke. Ich meinte, in ihren Augen genau jene Hilflosigkeit zu erkennen, in der ich mich seit der Diagnose selbst befand. Schlagartig wurde mir klar, dass ich mit meiner Art, mich ein- und abzukapseln, keinen Königsweg eingeschlagen hatte. Weder für mich noch für jene, die sich um mich sorgten. Mein Satz, ich weiß nicht, wie es weitergeht, brach das Eis. Ina nahm mich spontan in dem Arm. – Angst zu teilen, tut gut.