Anfangs kreisten meine Gedanken unablässig um ein Unheil, das – was mir meine Vernunft zumindest zu suggerieren versuchte, heilbar ist. Zu den abstrusen Ängsten gesellte sich dann auch noch das Selbstmitleid, das mich wiederum verleitete, mir eine nahezu solipsistische Haltung zuzulegen: ICH habe Krebs, ICH will nicht darüber sprechen, lasst MICH in Ruhe.
Auf die Begegnung mit Ina folgte der Entschluss, mit der Erkrankung offensiv umzugehen; mir zudem Hilfe und Beistand zu suchen. Am fünften Tag nach der Diagnose bat ich bei einer mir empfohlenen frauenärztlichen Praxis um einen Termin, der tatsächlich tags darauf möglich gemacht wurde. Ein Lichtblick, der mich zuversichtlicher stimmte.

Den Rest des Montages verbrachte ich in Erwartung des Anrufes aus dem Screening-Center mit Florian Illies Roman „Liebe in Zeiten des Hasses“. Ein wunderbar süffiges Buch, in dem ich versank, bis das Telefon schellte und mich aus den emotionalen und sexuellen Verstrickungen der intellektuellen Boheme der 1920er und 1930er Jahre riss.
Das Erwachen war jäh, der Kopf aber klar, in den ich mir gesetzt hatte, dass Lüneburg die Untersuchungsergebnisse umgehend an die Praxis weiterleiten sollte, bei der ich tags darauf einen Termin hatte. Der leitende Arzt war irritiert: „Ist das nicht etwas vorschnell?“ Ich reagierte patzig: „Was denken Sie sich? Sie haben mir vor wenigen Tagen Brustkrebs diagnostiziert. Worauf soll ich warten?“ Er lenkte ein: „Ihr Frauenarzt?“. Da ich bisher nicht in der Praxis vorstellig gewesen war, musste eine Notlüge herhalten: „Mein Arzt des Vertrauens.“
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