Berlin hat gewählt
Berlin hat gewählt

Berlin hat gewählt

Obwohl ich nicht mehr dort lebe, treibt mich das Geschehen in Berlin verschiedentlich um. Hochnotpeinlich ist, dass man dort nichts in den Griff bekommt und sich die deutsche Hauptstadt der ob vor aller Welt blamiert.

Beißender Spott begleitete die Entstehung des Berliner Flughafens, der nach einer 20-jährigen Planungs- und Bauzeit am Ende statt der veranschlagten 1,9 Milliarden Euro sage und schreibe 5,9 Milliarden Euro verschlungen hat. Vom Verwaltungs- und Alltagschaos oder dem Wohnungsmangel und den vielen strukturellen Problemen hier gar nicht erst zu reden. Pannen und Pleiten gehören zur Metropole ebenso dazu wie die Spree, das Brandenburger Tor oder der Grunewald.

typisch Berlin © GvP

Das I-Tüpfelchen war die Pannenwahl am 26. September 2021, die vom Landesverfassungsgericht im November 2021 für ungültig erklärt und deshalb am 12. Februar 2023 wiederholt wurde. Begründet wurde das Dekret, über die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses neu abzustimmen, damit, dass die Wiederholungswahl den „erheblichen Vertrauensverlust der Berliner Bürgerinnen und Bürger in demokratische Strukturen“ heilen solle. Anderenfalls, so stand es im Urteil, „würde das Ansehen der Demokratie in Berlin dauerhaft und schwerwiegend beschädigt“; es drohe „die Instabilität der demokratischen Rechtsordnung“.

Wie verkopft, um nicht zu sagen: realitätsfern diese Argumentation war, haben die Berliner schlichtweg damit gezeigt, indem sie dafür Sorge trugen, dass die Wahlbeteiligung bei der Wiederholung noch geringer ausfiel als 2021. Und diejenigen, die zur Urne gingen, haben ihren Unmut über die politischen Verhältnisse in der Hauptstadt deutlich zum Ausdruck gebracht. Die SPD, die seit 1989 ununterbrochen im Senat sitzt und seit 2001 den/die Regierende(n) stellt, fuhr ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1945 ein. Die Partei lag in keinem der 12 Bezirke vorne und konnte von 78 Wahlkreisen lediglich vier gewinnen. Die CDU hingegen kam auf 28,2% und damit auf 149.122 Stimmen mehr als die SPD. Einen Führungsanspruch lässt sich aus diesen Ergebnissen für die SPD wohl kaum ableiten.

das wäre zu wünschen © GvP

Das letzte bisschen Kredit als Berlin-Partei wurde noch am Wahlabend verspielt als man vollmundig erklärte, dass es der Wählerwille sei, das Rot-Grün-Rot-Bündnis unter der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) fortzusetzen, die im Übrigen gerade ihren Neuköllner Heimatwahlkreis an die CDU verloren hatte. Obwohl sie einst als Bürgermeisterin von Neukölln auch für ihr empathisches Wirken wohl gelitten war.

Rechnerisch ist eine Fortsetzung der Koalition tatsächlich möglich; doch Respekt vor dem Wählerwillen bekunden die vermeintlichen Volksvertreter damit nicht. Eine Landesregierung mit einer so schlechten Akzeptanz kann die Lösung  nicht sein! Das vom Landesverfassungsgericht ausgegebene Ziel, das Vertrauen in Berliner Institutionen, Strukturen und die Politik wieder zu stärken, hat diese Wahl jedenfalls verfehlt.

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One comment

  1. Michael von Seydlitz

    Wir kennen diese Vorhaltungen, an Kritik haben wir in Berlin ja keinen erkennbaren Mangel. Das „versifftgrüne” Milieu und überhaupt. Das Neueste hierzu freilich ist die politische Aufteilung der Stadt in einen Donutkringel, wonach das drumherum, wie Spandau, Marzahn, Köpenick bis hin zur Glienicker Brücke nach Potsdam etwa das abgeschmackt konservative Leben abbilden würde, nur im Innenring hingegen eine frische Böe wahren urbanen Lebensstils aufzuspüren sei. Denkt man nur an den Streit um 500 Meter Friedrichstraße und die aufgehübschten Grafiken hierzu, die aus einer asphaltierten Gasse einen flotten Boulevard hinzauberten, so ist ein Ende des Gezänks leider nicht abzusehen. So steht eine neuerliche Klage ins Haus. Und die hiesige Presse wiederum scheute sich nicht vor der Zuspitzung, die Mitte mit ihrem inneren S-Bahnring, markiere die neue Berliner Mauer. Dies ist mithin wohl der denkwürdigste Denkzettel für Berlins zweite Wahl.

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