Hochhackig
Hochhackig

Hochhackig

Erstmals habe ich Kompromisse bezüglich meines Dresscodes machen müssen, als Klein-Lotta-Filipa im Juli 2013 bei mir eingezogen war. Ein sommerlicher Regenschauer ließ mich während der Gassirunde wissen, dass die Kombination von Absatzschuhen in feinstem Leder an den Füßen und Leine an der rechten nebst Regenschirm in der linken Hand eine suboptimale Lösung für eine Hundehalterin ist. Zumal mir die scheelen Blicke der anderen Hundehalter in Outdoor-Kleidung zu signalisieren schienen, dass eine Frau mit Hund im Businessdress keine gute Figur abgab.

Ich erstand meinen ersten wetterfesten Mantel, der in meinen Augen gerade noch so als „stylisch“ durchging und einen absatzlosen wasserfesten Treter, den ich hässlich fand, obschon das Schuhwerk den unschlagbaren Vorzug bot, dass meine Füße bei regnerischen Hunderunden trocken blieben. Zur ersten Garnitur „Funktionskleidung“ gesellten sich alsbald immer weitere. Dann stand der Umzug aufs Land an. Von einem Großteil meiner Absatzschuhe und Outfits für den Einsatz in der Buchbranche trennte ich mich leicht. Einige zogen mit. Man weiß ja nie: vielleicht gibt der Bürgermeister einen feierlichen Empfang?

Die Restposten landeten in hinteren Schrankecken und wären in Vergessenheit geraten, so ich vor einigen Tagen nicht auf die Idee gekommen wäre, klar Schiff in meinen Schränken zu machen. Unter anderem taten sich zwei lammfellgefütterte Stiefeletten auf, die mir in der kalten Jahreszeit in unserer nur mäßig geheizten Gemeindebücherei warme Füße verhießen. Etwas Sorge freilich bereitete mir der Umstand, dass ich seit meinem Umzug aufs Land ausnahmslos auf absatzlosen Schuhen gelaufen war. Ich beschloss, während der nächsten Hunderunde mit meiner Nachbarin Sabine in einem Paar Probe zu laufen. Bei der doch eher geringen Absatzhöhe der roten Stiefelette sollte der knapp 45-minütige Rundgang doch eigentlich kein Problem für mich sein? Schließlich hatte ich mich in früheren Zeiten auf sehr viel höheren Schuhen sicher bewegt!

Hochhackig
das Beweisfoto © Sabine Münch

Kaum war ich mit Lotta-Filipa an der rechten und Käthe an meiner linken Hand über unseren Hof gelaufen und bei Sabine angelangt, beäugte mich diese kritisch: „Warum eierst du so beim Gehen?“ „Ich eiere nicht“, erwiderte ich trotzig, „ich laufe auf hochhackigen Schuhen!“ Ihr Blick fiel auf meine Füße: „Du nennst Absätze von knapp drei Zentimeter hochhackig?“ Prustend loslachend tippte sie sich an die Stirn. Wir verließen den Hof.

Bereits nach wenigen Metern wurde mir klar, dass ich mir zum Üben eine andere Gelegenheit hätte suchen sollen als die Runde mit fünf Hunden über eine nicht immer ebene Fläche. Besser wäre ein Einkauf beim Konsum beziehungsweise bei Penny mit kurzen überschaubaren Wegen oder eine Schicht in der Bücherei gewesen, in der ich sowieso mehr stehe als gehe. Stattdessen eierte ich die Rögnitz mit meinen beiden Hunden entlang, die meinen unsicheren Tritt weidlich auszunutzen wussten, indem beide kräftig an ihrer jeweiligen Leine zogen. Fast wäre ich gestolpert! Ein Übriges zu meiner Laune taten Sabines hämische Blicke auf mein vermeintlich hochhackiges Schuhwerk…

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One comment

  1. Gerd

    Nein, es sind nicht nur die Schuhe! Hast Du einen Fleecepullover? Oder eine wasserabweisende Funktionsjacke? Hast Du zwei Stücke davon im Schrank, liegst Du modisch im Trend – ob Du willst oder nicht. Der Allwetter-Outdoor-Look mutet oft nicht besonders modisch an, kommt uns aber entgegen. Heute ist das Phänomen so allgegenwärtig, dass der Stil natürlich auch einen Namen hat: Gorpcore.

    Der Begriff tauchte 2017 auf. In ihm steckt „Gorp“, die englische Kurzform für den bei uns als Studentenfutter bezeichneten Mix aus „good old raisins and peanuts“, den Wanderer und Outdoor-Liebhabern auf Touren durch die Natur oft als Snack dabeihaben.

    Das, was Du an Dir selbst als trotzig bezeichnest, trifft ironisch auch den Kern dieser Megamode. Die Gorpcore-Ästhetik ist nicht etwa aufgehübscht, sondern eher „trotzig hässlich“. Gehst Du durch eine Stadt in diesem Herbst, scheinst Du von lauter modebewussten Menschen umgeben zu sein. Ob North Face oder Globetrotter, längst haben auch Luxusmarken den Trend aufgegriffen. Uns scheint dieser Trend sehr entgegenzukommen, er hält die Eitelkeit etwas in Schach und bevorzugt die Funktion. Heute geht es um den Abtransport von Feuchtigkeit, um Windbrecher, klar, aber auch um die Passform – eng anliegen, ja – aber bitte nicht zwicken!

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