Besorgt darum, dass das zur „Schweriner Zeitung“ (SVZ) gehörende „Hagenower Kreisblatt“ die Berichterstattung über das Amt Neuhaus einstellen und unsere Gemeinde vollends zu einer „Nachrichtenwüste“ verkommen würde, hatte ich hier am 28. April 2024 zur Fusion der SVZ mit dem Nordkurier kritisch Stellung bezogen. Denn nur dort, wo ein vielstimmiges Angebot existiert, können Medien ihre Funktion erfüllen, die Demokratie zu fördern und kritisch zu begleiten. „Kommunen ohne objektive lokale Information sind der Willkür der Information ausgesetzt“, so Michael Konken, Dozent für Politik und Journalismus.[1]
Meinen Beitrag, in dem ich auch die naive Hoffnung geäußert hatte, die Lüneburger „Landeszeitung“ (LZ) könne die publizistische Lücke füllen, gab ich dem „Nordkurier“ und der LZ zur Kenntnis. Zu meiner Überraschung reagierte der Chefredakteur des Nordkuriers, Gabriel Kords, postwendend, indem er zu meinem Schreiben ausführlich Stellung bezog. In der Absicht freilich, meine Bedenken zu zerstreuen und mich als Abonnentin zu halten. Gelungen ist ihm das nicht. Wie viele andere treue Leser im Amt kündigte ich die SVZ.
Die LZ zeigte sich von meinen Darlegungen, welche Gefahren von Nachrichtenwüsten ausgehen können, unbeeindruckt. Vielleicht war das Medienhaus noch zu sehr mit der Übernahme des „Winsener Anzeigers“ rückwirkend zum 1. April 2024, der damit einhergehenden Trennung von der alten Führungsmannschaft und dem Aufbau neuer redaktioneller Strukturen beschäftigt?
Bisher ist das Blatt leider der Linie treu geblieben, über das Amt Neuhaus vornehmlich zu berichten, wenn es um die nicht realisierte feste Querung über die Elbe geht. Fehlen darf dann der Verweis nicht, dass die Wiedervereinigung ohne Elbbrücke nicht abgeschlossen sei.
Naiv ist, wer meint, eine Brücke könne das, was Ost und West noch trennt, beheben. Die Ursachen liegen tiefer und die Probleme einer nicht umfänglich gelungenen Aufhebung der jahrzehntelangen deutschen Teilung sind inzwischen allseits deutlich sichtbar. Leider auch im Amt. Und das obwohl sich die Menschen hier nicht nur einmal (erst durch den Anschluss an die BRD 1990), sondern sogar zum zweiten Mal (durch den Wiederanschluss an Niedersachsen 1993) zur Einheit bekannt haben. Die Euphorie ist längst verflogen. Die Bürger im Amt empfinden sich als abgehängt, fühlen sich nicht abgeholt, nicht gesehen. Wahrgenommen!
In die Pflicht wäre hier auch die LZ zu nehmen, die postuliert, eine „Tageszeitung der Region“ zu sein. Diesen Anspruch sollte nach dem Zusammenschluss der LZ mit dem „Winsener Anzeiger“ eine Grafik untermauern, die in der LZ am 10. August 2024 auf der Doppelseite 12/13 erschienen ist. Im Text hieß dazu es vielversprechend: „Wir wollen und werden nicht nur berichten, was war, sondern vor allem auch, was wird. Was auf Bürger in den Samtgemeinden, Einheitsgemeinden oder Städten zukommt. Ein neues Baugebiet? Neue Infrastruktur? Höhere Steuern? Wir werden nachhaken, was warum geplant wird. Kritisch, aber fair. Dazu haben wir ein großes Team gebildet. Wer in welcher Samtgemeinde oder in den Städten Ihr Ansprechpartner ist, können Sie, liebe Leserinnen und Leser, in der großen Grafik sehen.“[2] – Einen Kontakt für unsere Einheitsgemeinde sucht man dort vergeblich. Dargestellt in der Grafik ist das Amt Neuhaus als Brachland, als Nachrichtenwüste!
Dass die LZ eine Region in ihrer Berichterstattung bewusst außenvorlässt, deren Einwohner nach der Einheit lange dafür gekämpft haben, wieder zum Landkreis Lüneburg zu gehören, ist ein Affront gegenüber den Bürgern im Amt. Dass sie ihren Frust inzwischen an der Wahlurne bekunden, ist auch eine Folge dieser Ignoranz.
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[1] https://www.turi2.de/community/demokratie-ohne-lokale-medien-michael-konken-ueber-das-zeitungssterben/[1]
[2] https://epaper.lz-wa.de/p/landeszeitung/10-08-24/r/7/12-13/6081/1513315
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Wie bedeutsam die regionale Berichterstattung sein könnte, lässt sich mit einer ebenso einfachen wie gesicherten Erkenntnis bereits erahnen. Das beginnt nämlich mit der hübschen Erkenntnis, dass positive Nachrichten aus der Region zum psychischem Wohlbefinden beitragen können. Kein Wunder, dass Politik, Sozialwissenschaften und Wirtschaft sich dafür schon länger interessieren. Forschung kostet viel Geld und so stieg die Wirtschaft mit ein. Die Fragen lauteten: Wie kommt etwas an? Wie verbreitet sich eigentlich eine Idee oder Innovation in einer ländlichen Gemeinschaft? Nicht seit gestern wird daran geforscht. Für den Prozess, durch den soziale Ideen, Kulturgüter, Informationen, – Einstellungen, – Meinungen, Vorurteile, Gerüchte und Innovationen sich über die bestehenden Kommunikationswege ausbreiten, verwendet die Soziologie den Begriff „Diffusion“, Durchdringung. Fallen die Medien komplett aus, wird es richtig kompliziert. Wie sollen Anstöße, neue Ideen, neue Verfahren eine Chance bekommen, wenn Impulse und die Abwägungen dazu nicht breit diskutiert oder nicht ernst genommen werden?