Mein Stiefbruder Michael, der mich gerne besucht, verfolgt die Situation im Amt mit großem Interesse. Als ehemaliger Kölner und Hauptstädter (er lebt seit 1968 in Berlin) blickt er auf die Geschehnisse aus großer Distanz. Manches verwundert ihn: „In Berlin gibt es Brücken zuhauf. Warum habt Ihr keine Brücke?“
Die Frage trieb ihn so sehr um, dass er am 29. August 2022 eine Anfrage an die SPD-Landesfraktion Hannover richtete:
„Guten Morgen,
es ist vermutlich ungewöhnlich, wenn ein Berliner sich an Sie wendet, vor allem, wenn er aus dem Rheinland stammt.
Ich möcht kurz und bündig Hinweis geben auf einen Flecken Niedersachsen, der inzwischen abgehängt auf Trockeneis liegt. Das rechte Elbufer von Lüneburg.
Gut 240 km² entlang des Elbufers zieht sich das Umfeld hin von „Amt Neuhaus“, überall signalisieren die charakteristischen Pferde an den Gehöften in den Ortschaften, wohin es gehört. Aber Zugang gibt es nur unter Vorbehalt. Wenn nicht gerade Niedrigwasser im Sommer herrscht oder Frost im Januar. Schüler bleiben am Ufer, Handwerker ebenso, die Querung der Elbe im Kreis Lüneburg ist einzig per Fähre möglich. Wer auf der falschen Seite wohnt, lebt in der Gemeinde Amt Neuhaus.
Weit und breit gibt es keine gescheite Brücke, um überzusetzen und Lüneburg anzusteuern, gar nichts, nicht einmal eine Fahrradbrücke für die holländischen Naturliebhaber, die sich hier im Biosphärenreservat einfinden. Auch die Radler nehmen eine spezielle Fähre, die wiederum keine Autos aufnimmt, bei Hitzacker. Zur Not tut es eben eine anachronistische Fähre bei Bleckede, die aber auch häufig ausfällt. Entweder weil sie repariert wird oder weil der Wasserstand gefallen ist, was in Zukunft wohl noch öfter vorkommen wird. Kolonnen von Handwerkern kennen das auf beiden Seiten.
Wie ich mittlerweile herausgefunden habe, ist das Amt Neuhaus zuständig, aber auch nur halb. Schon die Zulassung eines Autos ist linkselbisch. Aufgrund der Zugehörigkeit zu Lüneburg besuchen Schüler die Schule in Bleckede, wozu sie natürlich die Fähre benötigen. Sofern diese wegen Niedrigwasser oder Frost nicht festsitzt. Das sorgt bei den Kids für ein bisschen Abenteuer, doch welche Zustände sind das denn?! Auch die großen Supermärkte haben sich linkselbisch niedergelassen.
Auf östlicher Seite ist der Mangel überall zu sehen. Nicht das Dorfklischee, sondern so gut wie kaum Geschäfte, wenn überhaupt jemand so mutig ist zu investieren. In Neuhaus stehen seit Jahren Läden leer. Die älteren Bewohner haben sich halt gut arrangiert, doch prosperiert hier mehr der Maisanbau in feinster Monokultur, denn der Rest der norddeutschen Wirtschaft zwischen Hannover und Hamburg. Das verschafft vielleicht einigen ihre Ruhe, doch fehlen in fast allen Ortschaften sichtbar frische Impulse, statt introvertierter Nischen.
Die zuständige Verwaltung scheint mir blockiert, den historisch bedingten Missstand endlich entschlossen anzugehen. Hier kann wohl nur die Politik und die Wirtschaft den offenbar verstockten Kontrahenten einmal zur Seite springen und einen gehörigen lebensnötigen Anstoß geben.
Hier wird Niedersachsen zu Biedersachsen. Auch in Köln gab es einmal so eine Situation. Dort fragte man zuerst, wo wohnen Sie – auf der rechten Seite oder auf der linken des Rheins?
Beste Grüße vom Liebhaber dieses Landstrichs, auch wenn er bloß immer wieder Gast ist.“
Die Antwort aus Hannover kam am 31. August 2022: „Ich habe die Email an die zuständige Stelle in Lüneburg geschickt und hoffe, dass sie sich dort Ihrer Sache annehmen wird.“
Diese Reaktion steht aus…