Melkof zwischen 1417 und 1934

Das an einem See gelegene Schloss Melkof im mecklenburgischen Landkreis Ludwigslust-Parchim – ab 1934 Heimat meines 1928 geborenen Vaters – liegt nur wenige Kilometer von meinem neuen Wohnort in Rosien entfernt. Mit einer Wohnfläche von mehr als 4.800m² zählt das Anwesen heute zu den größten, in Norddeutschland gelegenen Herrenhäusern. Es liegt inmitten einer im englischen Stil angelegten Parklandschaft, die sich auf drei Hektar erstreckt.

Rosien – Langenheide – Melkof – Jesow © Google Maps

Der Melkhof, wie die Liegenschaft bis zur Jahreswende 1887/88 hieß, war um 1417 in den Besitz eines alten mecklenburgischen Geschlechts gekommen: derer von Pentz, denen im Amt Wittenburg weitere Güter und Ländereien gehört haben. Letzter Eigentümer aus dieser Familie ist Carl von Pentz (1776 – 1827) gewesen. Ihn haben um die Jahrhundertwende offenbar Geldsorgen geplagt. 1811 gab er die Weisung, das Anwesen zu veräußern. Nicht unter 200.000 Talern!

Ein stattlicher Preis. Lange fand sich kein Interessent. Ein Kauf kam erst acht Jahre später zustande. 1819 ging Melkhof mit den dazu gehörenden Dörfern Langenheide und Jesow an Carl von der Decken (1742 – 1826), einen Staatsminister aus Hannover. Er hat den Umbau des Gutshauses im klassizistischen Stil veranlasst. Zu den größeren Herrenhäusern Norddeutschlands zählte das Haus dadurch aber nicht.

Letzter Erbherr aus der Familie von der Decken ist Julius (1827 – 1867) gewesen. Der ältere Bruder von Karl Klaus (1833 – 1865), der ab 1859 Expeditionen in den sogenannten deutschen „Schutzgebieten“, namentlich in Ost-Afrika, unternommen hat, die großenteils von der Verwandtschaft finanziert wurden. Zu dem Zweck wurden auch im Familienbesitz befindliche Güter verkauft. Karl Klaus war übrigens der erste Europäer, der den Mut aufgebracht hat, den 5.895 Meter hohen Kilimandscharo zu besteigen. 1862 kam er auf 4.200 Meter. Bis zu dem – später nach ihm benannten Decken-Gletscher. Dort zwang ihn ein Schneesturm zur Umkehr.

das Herrenhaus Melkof um 1900 © Familie vP

Karl Klaus von der Decken kam drei Jahre später in Somalia bei Kämpfen gegen die Einheimischen um. Sein Bruder Julius überlebte ihn nur um zwei Jahre. Dessen Witwe Anna Hedwig (1829 – 1920), geborene von Kleist, wollte den Beiden auf dem Melkhof ein Denkmal setzen. Für eine Familiengruft ließ sie auf dem Gutsgelände zwischen 1868 und 1870 eine für die Gegend einzigartige Kirche errichten. Passend zum Herrenhaus im spätklassizistischen Stil, mit reichem Innendekor, einem Altar im Stil des Neobarocks und einer Orgel, die vermutlich der Berliner Orgelbauer Carl August Buchholz (1796-1884) geschaffen hat.

Da keine männlichen Nachkommen existierten, gingen Melkhof, Jesow und Langenheide nach dem mecklenburgischen Erbjungferngesetz an die Decken-Tochter Adelheid (1857 – 1946), die wiederum am 15. September 1875 Konrad Erich Rudolf Graf von Kanitz (1844 – 1901) ihr Ja-Wort gab. Es versteht sich von selbst, dass der Ehebund in der Stiftung ihrer Mutter, der evangelischen Gutskirche geschlossen wurde, die fünf Jahre zuvor feierlich eingeweiht worden war. – Das Paar hatte drei Töchter namens Hedwig, Marie und Elisabeth sowie den Nachzügler Konrad, der 1883 geboren wurde.

Adelheid von der Decken um 1877 © Familienalbum von Kanitz

Eben dieser Graf von Kanitz, der durch Einheirat in den Besitz der deckenschen Liegenschaften gekommen war, trug dann dafür Sorge, dass auf dem Melkhof eines der größten Herrenhäuser Norddeutschlands entstanden ist. Mit den umfänglichen Umbauarbeiten wurde der renommierte Architekt Gotthilf Ludwig Möckel (1838 – 1915) beauftragt, einer der bedeutendsten Kirchenbaumeister seiner Zeit, an dessen Entwürfen auch russische Zaren Gefallen gefunden haben. Zwischen 1885 und 1888 wurde das Wohnhaus auf dem Melkhof erheblich erweitert und unter Berücksichtigung der vorhandenen klassizistischen Elemente im Gründerzeitstil umgestaltet. Aus dem Melkhof wurde Melkof, aus dem Herrenhaus im Volksmund das Schloss.

Fortan waren allerlei erlauchte Kreise beim Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinerschen Kammerherrn von Kanitz und seiner Gattin Adelheid zu Gast. Gerne traf man sich auf Melkof auch zur Jagd. Eine Tradition, die mein Cousin Mathias Graf von Kanitz (geb. 1962) im ehemaligen Jagdrevier der Familie fortführt.

Nach dem Tod des Grafen im Jahr 1901 übernahm wiederum Adelheid die Verantwortung für die Liegenschaften. 1909 übergab sie den Besitz Sohn Bolko Georg Oskar Friedrich Julius Emil Konrad, der an den Gütern nicht lange Freude hatte. Er wurde im Ersten Weltkrieg nach Deutsch-Ostafrika abkommandiert und ist 1916 im Alter von 33 Jahren in Somalia an den Folgen einer Tropenkrankheit verstorben. Melkof, Jesow und Langenheide fielen an seinen erstgeborenen Sohn Friedrich-Franz Hubertus (1908 – 1972), den meine Großmutter Helene in zweiter Ehe im April 1933 geheiratet hat.

Taufe von Jelka im Sommer 1940 auf Melkof. V.r.n.l.: Hoyer von Prittwitz, Michael von Kanitz, meine Großmutter Helene mit dem Täufling, mein Vater Krafft-Erdmann, Wilhelm, der älteste Prittwitz-Sohn © Familie vP

Nach der Eheschließung wurde Schloss Melkof, das einige Zeit leer gestanden hatte, auf Vordermann gebracht. Die Bäder modernisiert, eine Zentralheizung eingebaut und die Wände neu tapeziert. Während der einjährigen Umbauphase ist das Paar im sogenannten Jagdhaus untergekommen, einem Holzhaus am Dorfrand von Melkof. Bei ihnen waren Wilhelm und Hoyer; mein Vater Krafft-Erdmann, der Jüngste der Prittwitz-Söhne, folgte erst nach Fertigstellung der umfänglichen Schloss-Umbauten Anfang 1934. Kurz darauf kam Halbbruder Michael Graf von Kanitz am 22. März 1934 auf Melkof zur Welt, die Halbschwester Jelka am 7. Dezember 1939.

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