„Nachglühen“ von Jan Böttcher
„Nachglühen“ von Jan Böttcher

„Nachglühen“ von Jan Böttcher

Die sogenannten Wenderomane, mithin Bücher, die die Umbruchszeiten nach dem Fall der Mauer zum Thema haben, sind zumeist aus ostdeutscher Perspektive verfasst. Wären da nicht der „Herr Lehmann“ (2001) von Sven Regener, „Ein weites Feld“ (1995) von Günter Grass oder etwa „Nachglühen“ (2008) von Jan Böttcher; genaugenommen ein Nach-Wenderoman, da die Handlung 17 Jahre nach dem Mauerfall einsetzt.

Von Interesse für die „Rosiener Notizen“ ist das Buch, weil die Geschichte dort spielt, wo Hundi und ich in Bälde hinziehen. Im Amt Neuhaus, einer Samtgemeinde, die bis 1989 DDR-Sperrgebiet gewesen ist und heute zum Landkreis Lüneburg in Niedersachsen gehört.

Nachglühen © GvP

Aus dem Westen kehren dorthin zurück: Jo, ein Polizist, der aufgrund seiner übertriebenen Härte zum Funker degradiert wurde, und Jens, der in Göttingen als Journalist gearbeitet hat. Beide Nachbarskinder im einstmals streng bewachten Grenzgebiet an der Elbe.

Jan Böttcher macht aus dem Verhältnis der Beiden ein zu großes Geheimnis. Bis sich meine Geduld fast erschöpft hatte. Nehmen wir den Autor beim Wort: „Nachglühen“ erzählt „eine Geschichte der Langeweile, die allein von der Zwangsvorstellung lebte, dass irgendwann irgendwas passieren müsse.“ – So in der Taschenbuchausgabe von Rowohlt auf Seite 197 nachzulesen.

Bei Erscheinen gab es von der Kritik viel Lob. Warum man aber Boni allein dafür vergibt, weil ein Westdeutscher eine Geschichte aus dem Osten erzählt, kann ich nicht nachvollziehen. Nun gut, Jan Böttcher, 1974 in Lüneburg geboren und seit den 1990ern in Berlin lebend, hat viel Aufwand für seinen Roman betrieben. Drei Jahre lang hat er dafür recherchiert; hat Amt Neuhaus häufig besucht und dort Zeitzeugen befragt. Ein Zitat aus seiner Danksagung: „Ich danke zudem jenen Menschen, die mir durch Gesprächsbereitschaft und Materialien den Alltag in der DDR näherbrachten, die mir Einblicke in das Leben im Amt Neuhaus vor und nach der Wende gewährten.“

Abgesehen von schönen Landschaftsbildern erscheint mir seine Geschichte reichlich misslungen. Die Konstruktion ist verschwurbelt, die Figuren sind holzschnittartig und das große Geheimnis wird am Ende auch nicht so richtig gelüftet. Hat Jo Jens absichtsvoll im Stich gelassen? Und das mit den Boni, weil ein Westdeutscher ein ostdeutsches Sujet erzählt?

Vor einigen Tagen hatte ich mit einem Zeitzeugen Kontakt, mit dem Böttcher gesprochen hat. Ich habe ihn nach seiner Meinung zu dem Roman befragt. Nun, gab er mir diplomatisch zu verstehen, verbuchen wir es unter dem Topos schriftstellerische Freiheit.

Vielleicht sollte man DDR-Sujets doch besser jenen überlassen, die persönliche Erfahrungen damit gemacht haben?

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